Traue nie einem Schauspieler


Shakespeares Liebeskomödie als TV-Irrsinn: «Titaniamania - A Midsummer Night's Casting-Show» in der Gessnerallee ist gut gelaunte Medienkritik.
Die Realität kann erschütternd vorhersehbar sein. Die freie Theatergruppe Far A Day Cage wählt das Castingformat, um das Castingformat zu thematisieren. Im Vorfeld und in vier Runden werden zwei Männer und zwei Frauen ermittelt. Sie sollen später die beiden Liebespaare in Shakespeares «Sommernachtstraum» an der Seite der jungen Profis spielen, die den Klassiker showgerecht «Titaniamania» taufen. Obwohl Budget und Rahmen in keinster Weise den TV-Originalen wie «MusicStar» und «Starmania» entsprechen, läuft alles nach den Regeln des Formats ab. Tränen, Jubel, begleitet von Breitbandmedien. Castingshows kennen keine Parodie, sie sind die Parodie.
Niemand ist lächerlich
Auf der Bühne der Gessnerallee verhält sich die Realität im Endprodukt entspannter. In Handwerkeranzügen trifft sich die Truppe um den gehypten Jungregisseur Tomas Schweigen zum betont lockeren und bereits sehr lustigen Probengespräch. Man will Shakespeares Liebeskomödie machen, aber alles Komplizierte weglassen. Sonst kommt ja wieder nur das Feuilleton. Das berühmte Spiel im Spiel? Weg damit! Dabei sind wir mittendrin: Denn das humoristische «play in the play» besorgen schon bei Shakespeare die Handwerker. Traue nie einem Schauspieler, auch keinem unter dreissig.
Bist du selber kein Star, umgib dich mit welchen, lesen die Künstler nach. Damit hat der Abend seine Castingrunden ironisch eingeführt: Nina Egli, Pascal Rosenberger, Remo Sigrist und Mara Thurnheer heissen die Gewinner, deren Rampensäuigkeit durchaus Format hat und die Grenze zum bewussten Trash der Profis beinahe verwischt. Jetzt staksen die Gecasteten zwischen Showtreppe und Drehtür durch ihre Rollen, während sie zu ihrer Person interviewt werden. Das hat Tempo, viel Witz und wechselt schnell die Ebenen. Und doch wird der Unterschied zum TV-Format sofort klar: Niemand macht sich lächerlich. Die Distanz des Theaters erlaubt die Parodie des Genres und verhindert so die Parodie der Darsteller selbst.
Liebe ist Zufall
Allein, wozu Shakespeare? (...) Die Parallel-Idee ist schlagend (Konzept: Tomas Schweigen, Vera von Gunten, Julia Stöter). Denn im «Sommernachtstraum» geht es um Enttäuschung, um Täuschung und letztlich um Tausch. Das Knäuel an unerwiderter oder väterlich verbotener Liebe zwischen Lysander, Helena, Demetrius und Hermia wird im Zauberwald von magischen Tropfen nur noch dichter und führt nach dem Erwachen abermals zu neuen, endlich stabilen Paaren. Liebe ist Zufall und das Chaos des Begehrens zu bedrohlich. Stabilität ist nur mit ein bisschen Lüge zu haben. So Shakespeare.
Und so sehen Far A Day Cage auch die Castingshows: Das Versprechen von Glamour entspricht dem täuschenden Zauberwald, in dem die Kandidaten nicht mehr wissen, mit welcher Stimme sie sprechen. Wer hat man zu sein? Figur oder Schauspieler, Original oder Kopie, Cindy Lauper oder Salome? Täuschung und Enttäuschung sind nahe beieinander. Am Schluss sehen wir wieder das Probengespräch. Die Rollen werden ganz anders verteilt. Der Zufall hat uns wieder. Hurra!
(Tagesanzeiger; 13. Februar 2006/ Tobi Müller)

Bastelglück im Beziehungsdschungel


«Far A Day Cage» liest Shakespeare und schaut fern
(...) Wenn der Kobold Puck den King of Pop zitiert, wenn der Elfen-König Oberon den Casting- Show-König Roman Kilchsperger imitiert und das zahlende Stimmvieh im Parkett sich das ambitionierte Fussvolk auf die Bühne applaudiert, dann, ja dann hat Tomas Schweigen seine Finger - und den Regiestock - im Spiel. Denn wo Schweigen inszeniert, sieht Homers «Odyssee» aus wie ein Roadmovie, Schillers «Polizey» wie eine Big-Brother-Show und Eschenbachs «Parzival» wie eine WG, die Ralf König gezeichnet haben könnte. Keine Nummer ist Tomas Schweigen zu gross und kaum ein Budget zu klein. Selbst auf William Shakespeares Theater-im-Theater- im-Theater-Spass «Der Sommernachtstraum» haben er und seine Zürcher Formation Far A Day Cage noch eins draufgesetzt: eine Casting- Show. Oder besser: zwei Casting-Shows. Die fehlenden Schauspieler für die Rollen der jungen, aneinander vorbei Liebenden - Helena und Demetrius, Lysander und Hermia - wurden im Januar à la «Musicstar» aus über 150 hoffnungsvollen Bewerbern herausgepickt: Mara Turnheer, Pascal Rotenberger, Remo Sigrist und Nina Egli. Und diese Casting-Show war selbst wieder Vorlage für den Abend, der nun, frei nach dem erfolgreichen Österreicher Casting-Fernseh-Clou «Starmania», «Titaniamania» titelt. «Titaniamania - die Midsummer Night's Casting Show» mitten im Winter wurde am Freitag im Theaterhaus Gessnerallee uraufgeführt.
Es ist alles da, was es für das TV-Format braucht: das Muntermacher-Jingle - am Keyboard geklimpert - und die goldenen Starmacher-Stufen; das Moderatoren-Duo am Mikro und das Finalrunden-Quartett im Beziehungsdschungel (Bühne: Stephan Weber). Und es gibt, nicht zuletzt, eine selbstironische Rahmenhandlung für das ganze Spektakel: Ein halbes Dutzend Handwerker in Blaumännern (und Grünmännern) finden sich zur Laientheatertruppe zusammen. Sie wollen Shakespeares «Sommernachtstraum» spielen - und dabei ihren eigenen Traum wahr machen und Stars werden.
Die Gruppe Far A Day Cage jedenfalls macht ihre Träume wahr. Der 1977 geborene Wiener Tomas Schweigen und die drei Jahre ältere Bernerin Vera von Gunten studierten gemeinsam an der Hochschule für Theater in Zürich, schlossen 2004 ab und legten 2004 los: Sie gründeten die Formation Far A Day Cage, die stets den Produktionsprozess in ihrem (Erzähl-)Theaterprodukt sichtbar machen will. Pop, Performance, Postdramatik und guter, alter Spannungsbogen-Pepp werden fidel durchpüriert - und mit Preisen dekoriert; im letzten Jahr mit dem helvetischen Nachwuchspreis Premio für «Polizey». So wechselt das spielfreudige Ensemble zwischen den Tannenbäumli der Mittsommernachtsphantasie - die durch Puck durcheinander gerät, bevor schliesslich alles, alles gut wird - die Ebenen schneller als die Kostüme.
(...) Das ist Bastelglück für die Handwerksburschen und Besucherglück für Comedy- Fans. Da wird schlau mit einem Kultformat jongliert, keck ein Kultstück umformatiert und alles klug mit einer Prise Kommerzkritik garniert (...)
(Neue Zürcher Zeitung; 13. Februar 2006/ Alexandra Kedves)

Casting-Show im "Sommernachtstraum"
Wie im Fernsehen: Für «Titaniamania» suchte das Theaterhaus Gessnerallee die Darsteller per Casting.
Die Bühne ist eine Mischung aus Zirkusarena und Fernsehstudio: Bunt schillernde Vorhänge trennen den Backstage-Bereich ab, links und rechts sind Technik und Musik aufgebaut, in der Mitte erhebt sich ein Podest. "Titaniamania" steht in grossen Lettern darüber. Es ist der Titel eines Theaterstücks, das Casting-Show mit klassischem Drama verbindet.
Das Zürcher Ensemble "Far A Day Cage" möchte Shakespeares "Sommernachtstraum" auf die Bühne bringen, doch es fehlen vier Darsteller. Anstatt zum Vorsprechen einzuladen, veranstaltet die Theatergruppe ein öffentliches Casting, das Anfang Januar in vier Runden im Theaterhaus Gessnerallee zu sehen war. "Titaniamania - Die Midsummer Night's Casting-Show" unter der Regie von Tomas Schweigen, stellt nun das Ergebnis dieses originellen Produktionsprozesses vor. Die vierer mittelten "Stars" präsentieren sich dem Publikum als Darsteller im "Sommernachtstraum", flankiert von einem Showteam, das jegliches Klischee niveauloser Unterhaltungsshows bestätigt.
Das Ergebnis ist ein kurzweiliger, witziger Abend, der für sich einnimmt, wenn sich etwa aus dem eifersüchtigen Streit Helenas und Hermias ein "realer" Zickenkrieg entspinnt oder wenn Julia Stöter als Zettel gleichzeitig Esel und Möchtegernschauspielerin mimt. èberhaupt profitiert das Stück von der schauspielerischen Leistung des Ensembles, allen voran Tatjana Steinbichl, die mühelos zwischen ihren Rollen als neckischer Puck, verführerischer Darstellerin und kooperativem Ensemblemitglied wechselt.
(Basler Zeitung/ bazkulturmagazin; 13. 2. 2006/ CATCH)

Zürich sucht Theaterstar


Wie im Fernsehen: Für «Titaniamania» suchte das Theaterhaus Gessnerallee die Darsteller per Casting.
(...) Das Interesse war gross: 150 Männer und Frauen traten zu einem Casting in mehreren Runden an – wie in «Musicstar». Für die zwei Siegerinnen und zwei Sieger galt es nach dem Finale Anfang Januar sogleich ernst, blieben doch bloss vier Wochen bis zur Uraufführung von «Titaniamania – Die Midsummer Night's Casting Show».
Der Untertitel sagt es bereits: Aufgeführt werden soll «Ein Sommernachtstraum», eines von Shakespeares meistgespielten Stücken. Die Theatergruppe um den Regisseur Tomas Schweigen bringt den Klassiker jedoch nicht auf herkömmliche Weise auf die Bühne. In dieser kurzweiligen Inszenierung werden vielmehr Elemente des Stücks mit Episoden aus Casting-Verfahren verquickt, wie wir sie in ihrer ganzen Unsäglichkeit vom Fernsehen her kennen. «Ihr verarschet mich»: So schlüpft etwa der Elfenkönig Oberon – eben noch in den Streit mit seiner Gattin Titania verwickelt – urplötzlich in die Rolle eines schmierigen TV-Moderators, der die vier Auserwählten interviewt.
«Titaniamania» steht in goldenen Lettern über der Drehbühne geschrieben. Von dieser führen ebenfalls goldene Stufen nach unten, wo je länger je mehr (Plastik-)Tännchen stehen. Am Ende sieht man vor lauter Bäumen den Wald kaum noch; gleichzeitig versinkt die Aufführung im Chaos, indem sich die Ebenen immer mehr vermischen. (...)
(Der Landbote; 13. 2. 2006/ Anne Suter)

Casting


Die dritte unter dem Label "Far A Day Cage" entstandene Produktion "Titaniamania" ist Theater im Theater. Eine Theatergruppe plant, Shakespeares meistgespieltes Stück aufzuführen und benötigt hierfür noch vier Laien.
In der Gessnerallee ist alles auf Glamour eingerichtet: Eine Showtreppe, eine Drehbühne, Glitzervorhänge und die Ecke für den Alleinunterhalter warten. Doch zuvor muss die Theatertruppe noch aus dem Buch lernen, wie man innert vier Wochen zum Starwird. Bereits diese Eingangsszene im Übergwändli bestätigt die Vorahnung, dass ein ironischer Abend folgen soll. (...)
Das freie Theater, die inflationären Castingshows, die berühmten 15 Minutes Fame bekommen alle kräftig ihr Fett ab. (...)
Die Art, wie die Truppe die Sehnsucht nach dem Scheinwerferlicht ad absurdum führt, funktioniert auch, wenn man die eigentlichen Castings vor den vier Wochen Probenzeit nicht gesehen hat - die finden auf einer Leinwand schliesslich wieder ins Stück zurück (...)
Die eigentliche Kritik am ganzen Brimborium kommt auf leisen Pfoten daher, wie etwa der Schlusssatz für die neue Besetzung: "Kannst du Harfe spielen?"
(P.S. Die linke Zürcher Zeitung; 16. 2. 2006/ Thierry Frochaux)

"Titaniamania" mit "Theaterstar"


(...) Die Theatergruppe um den Regisseur Tomas Schweigen bringt den Klassiker nicht auf herkömmliche Weise auf die Bühne. In dieser kurzweiligen Inszenierung werden vielmehr Elemente des Stücks mit Episoden aus Casting-Verfahren verquickt, wie wir sie in ihrer ganzen Unsäglichkeit vom Fernsehen her kennen. Auch sprachlich findet ein ständiger Wechsel zwischen den beiden Ebenen statt. (...)
(Zürcher Oberländer; 14. 2. 2006/ sfd)

Shakespeare sucht den Superstar


Helena liebt den Dematrius, Demetrius die Hermia, Hermia den Lysander und Lysander die Helena. Und das nach nur vier Tagen Casting und vier Wochen Proben. Das "Musicstar"-Konzept wurde für einmal aufs Theater übertragen. 150 Bewerber bewiesen sich vor dem kritischen Auge des Publikums, einer Fachjury und Stargästen wie Viktor Giacobbo. Die vier Ausgewählten stehen nun mit der Gruppe Far A Day Cage auf der Bühne und zeigen einen glamourösen "Sommernachtstraum". "Titaniamania - Die Midsummer Night's Casting-Show" unter der Regie von Tomas Schweigen wurde erfolgreich in der Gessnerallee in Zürich aufgeführt und bringt nun in Aarau ein Stück von Shakespeares Traumwelt im Elfen-Wald näher.
Was denkt die ausgewählte Zürcherin Nina Egli über das Theater-Casting? "Es war intensiv, ich wusste nicht, was mich erwartet. Ich war nervöser als ich es jetzt bei den Auftritten bin. Auf der Bühne bin ich weniger aufgeregt, weil ich in meiner Rolle afugehe und vor allem Spass haben." Far A Day Cage versuchen die Mechnaismen einer medialen Casting-Show zu entlarven und bringen das Stück parodistisch zum Ausdruck.
In der Hitze der Johannisnacht vermischen sich Fantasie, Vernunft, Traum und Ralität. Die gecasteten Shakespeare-Figuren rennen vom Zaubersaft betränkt durch den Nebel und suchen entfesselt ihr geliebtes Gegenüber. Der shakespearesche Worfluss wird kurzerhand von einer Frage der Jury an Heldena unterbrochen. Währenddessen stellen die Handwerker, die ja schauspielern wollen, Bäume auf, um die Bühne ganz in einen Wald zu verwandeln. In dieser Szene aus dem "Sommernachtstraum" gehen die Ebenen im Stück drunter und drüber. Über die Scheinglamourwelt darf ebenso gelacht werden, wie auch über die Verknüpfung von Shakespeares Worten mit schweizerdeutschen Eingriffen oder über die poppigen Tanzeinlagen vom Elfenkönigspaar Oberon und Titania. Eine Casting-Show mit ihren Irrungen und Wirrungen, die für einmal wirklich unterhaltsam ist und amüsiert.
(AZ/ Live; 23. 2. 2006/ Corinne Rufli)